Erfahrungsberichte Europa Österreich
29.12.2015

Blindenfreizeit: Langlaufen mit blinden und sehbehinderten Menschen

“Langlaufen im Team”

Reinhard Pallauf über seine Erfahrung als ehrenamtlicher Helfer bei einer Blindenfreizeit

In der Jännerausgabe 2012 der Monatszeitschrift „WELT DER FRAU“ stolperte ich über eine besondere Nachricht, die sich mit „Ab in den Urlaub – Begleitung für Blinde gesucht“ betitelte.

Gesucht wurden Ehrenamtliche, die blinde und sehbehinderte Menschen im Urlaub, im speziellen Fall bei einer Langlaufwoche in Salzburg bzw. im Böhmerwald, begleiten.

Diese Privatinitiative „Blindenfreizeiten P.Lutz“ geht auf den gebürtigen Tiroler Kamillianerpater Wilfried Lutz zurück, der 1971 begann, mit blinden und sehbehinderten Menschen auf die Berge zu steigen. Später baute er sein Programm auf Sport- und Kulturwochen aus. Obwohl der Pater mittlerweile verstorben ist, lebt sein Engagement weiter und eine Nachfolgerin koordiniert zehn bis zwölf Urlaubswochen jährlich. Die ursprünglich christliche Initiative ist aber „offen für alle“.

Das soziale Engagement einerseits, Blinden beim Sport zur Seite zu stehen oder zu helfen, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden und andererseits die Gelegenheit, Urlaub mit meinem liebsten Wintersport zu verbinden, reizten mich sehr. So überlegte ich nicht lange und wurde kurz darauf als einziger Neuer in das Begleitteam aufgenommen.

Bis dato hatte ich – von einigen wenigen Hilfestellungen im Straßenverkehr bzw. in öffentlichen Verkehrsmitteln abgesehen – keinen direkten Kontakt mit Blinden. Zu meinem Erstaunen waren diese Personen äußerst selbstständig. Die meisten von ihnen brauchten keinerlei Unterstützung bei der Körperpflege, beim Duschen, beim Gang auf die Toilette und sie wandelten geschickt und sicher in unserem Quartier, der Stifter-Jugendherberge in Aigen, umher.

Unterstützung brauchte dieser Personenkreis hauptsächlich bei den Mahlzeiten, im Skistall und eben auf der Loipe. Das Essen und Trinken wurde ihnen von uns Sehenden serviert. Ebenso sorgten wir dafür, dass jede/jeder zu ihrer/seiner Ausrüstung kam. Erstaunlich war für mich die Erfahrung in der Loipe, wo ich als gänzlich Unerfahrener in der Rolle eines Begleiters mit ganz wenigen Hilfsmitteln (leichter Körperkontakt bzw. Zurufe) auskam, um die Läufer nach ihrem Leistungsstand mehr oder weniger flott in der Spur zu halten. Somit war der sportliche Teil für mich zwar von hoher Verantwortung geprägt, aber kein Stressfaktor, sondern zusammen mit dem Blinden ein Genuss.

Durch das Beisammensein mit ihnen festigte sich der Eindruck, dass sie – und wahrscheinlich auch andere Personen mit Beeinträchtigungen – kein Mitleid, sondern als vollwertige Menschen mit Rücksicht auf ihr Defizit angenommen werden wollen.

Einschränkend möchte ich erwähnen, dass der Personenkreis, mit dem ich zu tun hatte, ein „Leben in Dunkelheit“ offenbar akzeptiert und bereit ist, es nach besten Möglichkeiten aktiv zu gestalten. Sicherlich gibt es auch Menschen, die mit ihrer Beeinträchtigung nicht fertig werden und sich mehr oder weniger aufgeben.