Erfahrungsberichte Europa
28.12.2015

Erfahrungen über das WWOOFEN in Portugal und Frankreich

“Lust auf WWOOFEN?”

Hanna Grossauer über ihre Arbeit auf Bio-Bauernhöfen

Ich schreibe Kathi „Wir sind WWOOFen in Portugal!“ auf den Fuß. Und jetzt fühl ich es so richtig! Wir sind unterwegs, wir reisen, entdecken, spüren, riechen…

„Letzten Sommer war ich in Portugal und Frankreich WWOOFEN, das war so toll! Eine ganz besondere Erfahrung, das solltest du unbedingt auch mal machen!“ Was warst du? WWOOFEN? Was soll denn das bedeuten? —

Die Organisation WWOOF entstand 1971 in England. Sue Coppard, eine Londoner Sekretärin, hatte das starke Bedürfnis, auch als in der Stadt lebender Mensch die Möglichkeit zu haben immer wieder raus aus der Stadt zu kommen, und Landluft zu schnuppern. Sie ging davon aus, dass es womöglich mehreren Stadtmenschen so ginge wie ihr und startete schließlich das Experiment „Working Weekends On Organic Farms“. Leute aus der Stadt konnten an einem Wochenende bei einem Bio-Bauernhof mithelfen und bekamen im Gegenzug dafür Unterkunft und Essen und außerdem viel wertvolles Wissen. Die Idee war ein großer Erfolg- immer mehr freiwillige HelferInnen begeisterten sich für die Arbeit am Land, mit Tieren und Pflanzen- zum Ausgleich zu ihrem Alltag in der Stadt und so konnten sich immer mehr Bauernhöfe über helfende Hände freuen.

Heute bedeutet die Abkürzung WWOOF World Wide Opportunities On Organic Farms“ und ist mittlerweile weltweit in über 100 Ländern, darunter Australien, Neuseeland, China, Ghana oder Hawaii mit mehr als 6000 ökologisch wirtschaftenden Bauernhöfen vertreten.

Was machen WWOOFER?

Zu WWOOFen bedeutet, eigene Fähigkeiten und Ideen, gelerntes Wissen und auch körperliche Arbeit einzusetzen und damit hauptsächlich Leute von biologisch wirtschaftenden Bauernhöfen zu unterstützen. „WWOOF ist ein Austausch zwischen – Stadt und Land – Jung und Alt, – verschiedenen Ländern, Sprachen und Kulturen.“[1] Es ist dabei nicht notwendig, landwirtschaftliches oder gärtnerisches Wissen mitzubringen, jede und jeder tut, was sie oder er kann. Die Arbeitszeiten variieren je nach Hof zwischen 4- 6 Stunden pro Tag, die Wochenenden sind meistens frei, und können genutzt werden, um die Gegend zu erkunden. WWOOFerInnen werden für ihre Arbeit nicht bezahlt – zumindest nicht mit Geld. Dafür bekommen sie Essen und einen Schlafplatz, und außerdem jede Menge Wissen und Bereicherungen.

Meine Freundin Kathi und ich probierten das WWOOFEN im Frühsommer 2009 aus. Wir wollten gerne für drei Monate Portugal, Spanien und Frankreich bereisen, aber nicht nur von Stadt zu Stadt, und von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Wir wollten die Länder, Leute und Landschaften so richtig kennenlernen und auch an einem Ort länger verweilen als nur einige Tage.

Wir haben vor, an vier verschiedenen Farmen jeweils etwa zwei Wochen zu bleiben, und dazwischen einige Orte und Städte anzusehen. Über die Homepage von WWOOF Portugal melden wir uns für eine Jahresmitgliedschaft an, und bekommen so den Zugang zu Beschreibungen und Kontaktdaten von allen Höfen in Portugal. Bevor es losgeht, schicken wir an einige interessant klingende Höfe E-mails aus und fragen an, ob sie in den kommenden zwei Wochen zwei WWOOFerinnen brauchen können. In Lissabon startet unsere Reise – mit einem klapprigen Bus fahren wir auf kurvigen Straßen immer weiter ins Landesinnere, bis wir im kleinen verschlafenen Ort Aradas bei unserer ersten Farm ankommen.

In Portugal gibt es viele sogenannte „Aussteiger“, Menschen, die beschließen, ihr bisheriges Leben komplett zu ändern, ihren Job kündigen, der vielleicht davor ihr Leben zum Großteil bestimmt hat und in ein anderes Land ziehen, um etwas Neues auszuprobieren. Andrea aus England und Jeroem aus Holland sind solche Aussteiger. Sie haben sich im Landesinneren von Portugal für sich und ihre Kinder Dani und Roan ein Stück Land mit einem alten Steinhaus gekauft, mit dem Ziel, hier als Selbstversorger zu leben. Das Haus muss komplett renoviert werden, es gibt noch keine Wasser- und Stromleitungen. Jeroem ist Zimmermann und zimmert alle Türen und Fensterrahmen selbst. Inzwischen wohnt die Familie noch in einem gemieteten Haus im Dorf, von dem aus wir jeden Morgen zu Fuß einen Waldweg entlang zur Farm spazieren.

Es gibt hier genug zu tun, Jeroem und Andrea sind voller Ideen und Projekte, deswegen nehmen sie auch gerne WWOOFerInnen als Unterstützung auf. Während unserer zwei Wochen auf der Farm kommen und gehen die Leute, einmal zählen wir beim Abendessen 12 Köpfe! Ein Pärchen aus Amerika, zwei Engländer, einer aus Brasilien, eine Australierin, die vierköpfige Familie und wir beide. Barbara aus Australien ist 65, und zum ersten Mal in Europa. Ihre Tochter hat ihr vom WWOOFen erzählt, und Barbara ist begeistert, Europa auf diese Weise kennen zu lernen. Chris aus England ist schon seit einigen Monaten WWOOFend unterwegs, mit seinem Motorrad fährt er von einer Farm zur anderen. Jeroem hat schon kleine Obstbäume angepflanzt, Andrea hat einige Gemüsebeete angelegt, die darauf warten bepflanzt zu werden. Wir vereinzeln unzählige Tomaten-, Gurken- und Salatpflänzchen, die WWOOFer vor uns angesät haben und pflanzen sie in die Beete aus. Wir säen Spinat, rote Rüben, Mais, Koriander, Kürbis, Kapuzinerkresse, Rhabarber, Lauch, Fenchel. Es ist gar nicht so leicht, all die englischen Gemüsebegriffe sofort zu verstehen, aber wenn Andrea uns erklärt, was aus dem Gemüse gekocht wird und wie es schmeckt, wissen wir, was da bald aus der Erde sprießen wird. Wir gießen, jäten, sammeln Gras und Löwenzahn für die Hühner und Hasen oder bleiben bei Regen auch mal im Haus und passen auf den kleinen Roan auf, während Andrea ins Dorf fährt um einzukaufen.

Vom Feld aus, das wir einige Tage lang von Unkraut befreien, um den Salat anpflanzen zu können, sehen wir in der Ferne einige Felsen. Die Landschaft mit ihren vielen Hügeln macht das Abschätzen von Entfernungen schwierig, aber wir nehmen uns vor, die Felsen am kommenden Wochenende zu erklimmen. Der Weg führt uns entlang eines Baches mit vielen kleinen Wasserfällen, gesäumt von gelbblühenden Ginsterbüschen und durch das Dörfchen Unhais da Velho, wo die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Enge Gässchen, kleine verfallene Steinhäuser… abgesehen von ein paar älteren DorfbewohnerInnen, die sich zum Plaudern und Beobachten auf der Straße treffen, ist das Dorf sehr verlassen. Dann machen wir uns auf zum Gipfel, vorbei an einer älteren Frau, die auf uns einredet. Schade, dass wir kein Portugiesisch können, wir würden gerne mit ihr plaudern!

Von oben haben wir einen tollen Ausblick über die Gegend- die vielen grünen Hügel, Windräder, Wald und kleine Dörfer dazwischen. Ein Gefühl von Unendlichkeit überkommt mich, hinter all diesen Hügeln warten immer noch mehr Hügel, Berge, Flüsse, Täler, Ozeane. Ein angenehmes Gefühl zu wissen, dass es hinter dem Horizont immer noch etwas Neues gibt..
An unserem letzten Abend in Aradas kochen wir Kaiserschmarrn für die ganze Gruppe- wir haben versprochen, etwas typisch Österreichisches zu machen.

Nach zwei Wochen im doch eher kühlen und immer wieder verregneten Zentrum Portugals zieht es uns in den sonnigen Süden. Nach einigen Tagen WWOOF- Pause im wunderschönen Porto geht es in Richtung Algarve, in den Süden Portugals. Nadine und Calvin, ein Paar aus England, haben hier in der Nähe von Portimão das Tipi- Dorf „Tipi- Algarve“ gegründet, die Tipis und eine Jurte werden an Urlauber vermietet, die dann von hier zum Strand fahren oder die Gegend erkunden können. Kathi und ich bekommen ein eigenes kleines Cottage als Unterkunft. An den Vormittagen machen wir in den Tipis, den Campingküchen und WC- und Duschanlagen sauber, lackieren Gartenmöbel und fischen Blätter aus dem Pool. Eine Farm ist es hier nicht wirklich, aber es gibt einen kleinen Gemüsegarten. Wir legen eine Zwiebel- Süßkartoffelspirale an und lernen sogar Traktor fahren, um frische Erde zu den Beeten zu transportieren, der Boden ist sehr trocken und steinig. Calvin will den Gemüsegarten noch vergrößern, um kein Gemüse mehr zu kaufen, und vielleicht sogar lokale Märkte mit Gemüse zu versorgen. Alles braucht seine Zeit!

Wir arbeiten hier nur am Vormittag, um die Mittagszeit und am Nachmittag wird es viel zu heiß, um draußen etwas zu arbeiten. Bevor Calvin nach Portugal kam, war er Chefkoch in England, und er verwöhnt uns täglich zu Mittag mit seinen Köstlichkeiten: Es gibt selbstgebackenes Brot, gebratene Tomaten mit Oliven und Schafkäse, frischen Salat aus dem Garten,..

Schließlich geht auch hier die Zeit zu Ende, wir fahren weiter zu einer anderen Farm in der Algarve. Der 68-jährige Jean- Jaques aus Belgien lebt seit 20 Jahren in Portugal. Er hat sich in der Nähe von Fuseta ein großes Stück Land gekauft, und vermietet im Sommer sehr liebevoll und aufwändig renovierte Appartements an TouristInnen. Außerdem gibt es eine Orangen-Grapefruit-Zitronen-Plantage, dazwischen wachsen Palmen und einige Affenbrot- und Feigenbäume. Wir haben hier nicht sehr viel zu tun, wir helfen aber, wo Arbeit anfällt!! Stutzen Rosmarinhecken, jäten Unkraut im Palmengarten, pflanzen Aloe Vera neben dem Pool, und schneiden die Obstbäume.
Nach sehr entspannten zwei Wochen wollen wir noch einmal so richtig arbeiten, und auch gerne das WWOOFen in einem anderen Land ausprobieren. Wir reisen weiter in Richtung Südfrankreich, zur „Ferme des Courmettes“, einer Ziegenfarm in den Bergen auf 800m, nicht weit von Nizza. Bruno, der Schäfer, wohnt hier seit 28 Jahren mit seinem Sohn Valentin und seinen Ziegen. Noch eine WWOOFerin, Mélodie, ist mit uns gemeinsam hier, und zeigt uns unsere Arbeiten. Kathi und ich sind hier in einem Container untergebracht, der als Wohn-und Schlafraum eingerichtet ist. Jeden Morgen um 8 Uhr holen wir die 80 Ziegen von der Weide, die dort die Nacht verbringen. Die Hirtenhunde Bulle und Craige helfen uns die Ziegen in den Stall zu treiben, dann werden immer 12 gleichzeitig mit den Melkmaschinen gemolken und bekommen gleichzeitig ihr Futter. Die frische Milch wird direkt in die Fromagerie, die Käserei, geleitet und später von uns zu Käse verarbeitet.

Was wir hier alles lernen, und vor allem auch anvertraut bekommen- nach wenigen Tagen stehen wir beiden alleine im Stall, während Bruno den fertigen Käse an Märkte und Lokale der Gegend ausliefert.

Es tut gut, Verantwortung zu übernehmen, und zu merken, dass man richtig gebraucht wird und mithelfen kann. Es gibt so viele tolle Menschen auf dieser Welt, mit spannenden Projekten und Ideen, von denen man sehr viel lernen kann.. Und sie freuen sich sehr über Menschen, die sie ein Stück weit begleiten wollen.

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Weitere Informationen:

WWOOFen kannst du auch in Österreich! Informationen findest du auf der österreichischen Wwoof-Seite .

Oder zieht es dich doch etwas weiter hinaus in die Welt? Auf diesen Seiten sind die Länder sehr übersichtlich nach den Kontinenten aufgelistet.


[1] https://www.wwoof.at/de/information-was-ist-woof/whats.html